Es ist nicht einfach hier seine Erfahrungen über das Thema Overtouched Syndrom (OS) zu teilen ohne zu viel Privates Preis zu geben. Soll ich wirklich Dinge über die Beziehung zu meinen Kindern im Internet veröffentlichen? Das Letzte was ich will, ist es meine Kinder bloßzustellen oder ihnen das Gefühl zu geben nicht gewollt zu sein. Aber genauso schwerwiegend sind die Auswirkungen für mich und es hilft mir darüber zu schreiben, andere Frauen zu stärken und jenen Mut zu machen, denen es ähnlich geht.
Einarmiger Meister
Ich kochte und ass jahrelang einhändig, immer ein Kind auf dem Arm und während dem Essen eins auf dem Schoss. Nachts mit mindestens einem Kind Rücken an Rücken und dem anderen eng umschlungen. Exzessives kuscheln. Ständiger Körperkontakt.
Innerhalb der letzten 9 Jahre Mutterschaft, kämpfte ich oft mit widerstrebenden Gefühlen, einerseits der Liebe zu meinen Kindern und andererseits meinen immer stärker werdenden Bedürfnissen nach dem Alleinsein und dem Bedürfnis nach mehr Pausen und weniger Berührungen. 9 Jahre in denen mir mein Körper nicht mehr allein gehörte. 9 Jahre in denen ich dachte mit mir stimmt was nicht, dass ich so fühle und dass ich so niemals den Ansprüchen der bedürfnisorientierten Erziehung gerecht werde.
Nicht ohne meine Kinder.
Für meine Kinder war schon immer NUR ICH der sichere Hafen. Der Safespace. Die erste Bindungsperson. Vor allem für die schwierigen Situationen. Das heißt in allen Übergangs-, Verweigerungs- und Eifersuchtssituationen und sämtlichen Trotz- und Wutphasen, wurde nur ich akzeptiert. Nur ich, die ausgleichen, beruhigen, auffangen, aushalten und das Bedürfnis nach Nähe & Sicherheit stillen konnte. Kein Papa, keine Oma und kein Opa. Nicht selten war mein Limit schon am frühen Vormittag erreicht. Ich dachte das sei normal, es sei meine Aufgabe fortwährend das Grundbedürfnis meiner Kinder nach Nähe zu stillen, egal wie erschöpft ich war. Ich liebe meine Familie, kann und will mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Ich will sie auch herzen und kuscheln. Aber eben nicht ununterbrochen.
Bedürfnisse und Glaubenssätze
Das Bedürfnis nach Körperkontakt und Nähe ist sehr individuell - jeder Mensch ist anders. Wieviel Berührung, Ruhe und Ausgleich ich brauche, wurde mir erst mit meinen Kindern so richtig bewusst. Es sind nicht nur Berührungen die mich fordern, auch das ständige Gebrauchtwerden und die Verantwortung, auch wenn es mir selbst nicht gut geht, haben mich von Anfang an sehr gefordert. Was man tun kann: wenn möglich kleine Auszeiten und Freiräume in Absprache mit dem familiären Umfeld, dem Freundeskreis oder anderen Hilfsangeboten bzw. Beratungsstellen (der Stadt oder Gemeinde, Profamilia, Leihoma etc.) können akut helfen. Wichtig ist es aber vor allem, an seinen eigenen Strategien zu feilen und Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren. Hier ein paar kurze Impulse, die vielleicht helfen können, weil sie mir geholfen haben:
- Wann sind geeignete Zeitpunkte allein zu sein und sich nur um dich zu kümmern?
- Wie kann diese Zeit geschützt, gestaltet und bewertet werden?
- Sprich mit deinem Partner/deinem Umfeld und bitte um Verständnis und Unterstützung.
- Wie kann die Unterstützung konkret aussehen? Welche Rahmenbedingungen müssen ggf. verändert werden um dir Zeiträume zu schaffen. Welche Aufgaben können abgegeben werden?
- Welche Glaubenssätze tun dir nicht gut und sind kontraproduktiv?
- Wie kannst du negative Glaubenssätze ins Positive umkehren? (Zum Beispiel: Meine Kinder sind in guten Händen und ich darf mir eine Auszeit gönnen.)
- Was brauchst du, um aufzutanken? (Meditation, Sport, Spaziergang an der frischen Luft, zum Frisör, etc…)
Was hilft dir, um mit dem overtouched Gefühl besser umzugehen? Schreibe es gern in die Kommentare.
1 Kommentar
Toller Artikel!
Vielen Dank fürs Teilen der persönlichen Erfahrungen! Ich wusste bis gerade nicht, dass es dafür einen Namen gibt… ich kenne das nämlich auch, bei mir ust es fast nur tagsüber. Nachts kuscheln und auf engstem Raum schlafen kann ich oft genießen, aber “an mir rumgezippel” tagsüber macht mich rasend. Ich werde dann teilweise richtig grantig… ein kurzer Moment des “in Verbindung gehen” (auf Augenhöhe, hinknien, in den Arm nehmen) und dabei erklären, dass es für mich unangenehm ist, wenn gezuppelt wird, ist die beste Strategie für mich. Das verhindert den Grant bei mir und die Tränen bei den Kindern!