Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wie Selbstständigkeit für Frauen gelingen kann, trotz Stolpersteinen

Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wie Selbstständigkeit für Frauen gelingen kann, trotz Stolpersteinen

Der folgende Text reflektiert meine persönlichen Erfahrungen und nähert sich exemplarisch dem Thema an, dass viele Frauen beschäftigt: Selbstverwirklichung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 

Frauen sind als Unternehmerinnen noch immer stark unterrepräsentiert. Der Frauenanteil in der Start-Up-Szene liegt laut aktuellem Female Founder Monitor bei nur 16%, Prognose stagnierend. Es bleibt also weiterhin wichtig Frauen in der Geschäftswelt zu stärken und Ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Insofern trifft die neue Zusammenarbeit zwischen Melanie und mir, die das Kinder Modelabel Mamellie gegründet hat, den Nagel auf den Kopf. Was uns verbindet ist nicht nur die Liebe zu Mode und Kreativität sondern auch das große Interesse an Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Work-Life-Balance, Chancen und Grenzen bedürfnisorientierter Erziehung, Mentalload, Feinfühligkeit und Sensibilität (Neurodiversität) in Familien u.Ä. Mein Interesse an Frauenthemen hat aber auch noch biografische Gründe.

Ostdeutsche Arbeitsmoral

Ich komme aus einer ostdeutschen Arbeiterfamilie. Habe mich als Kleinkind über Westpakete gefreut und ekstatische Erinnerungen an meine erste Schüssel Kellog´s Smacks. Aber zurück zur Arbeitswelt: In der DDR war es, auch durch den hervorragenden Ausbau an Krippen- und Kita-Plätzen, als Frau selbstverständlich zu arbeiten, emanzipiert zu sein, ja sogar nicht selten, sich im Job zu verausgaben. In mir schlummert diese Arbeitskultur, das heißt arbeiten um jeden Preis und nebenbei die Familie wuppen. Und so geriet ich in meinem beruflichen Lebenslauf anfangs in einen kräftezehrenden Strudel aus 50-60 Arbeitsstunden pro Woche und Wochenendarbeit für vergleichsweise wenig Lohn. Ich weiß noch, wie sich das anfühlt, wenn am Ende des Lohns noch so viel Monat übrig ist. Warum erzähle ich euch das? Es ist unglaublich wertvoll, sowohl für das eigene Selbstbewusstsein als auch die eigene Business-Aufstellung, seine Biografie zu reflektieren, zu hinterfragen und sich stetig weiterzuentwickeln. Und eins war mir überhaupt nicht klar: ausgerechnet die schmerzhafteren Erfahrungen und alte eingestaubte Glaubenssätze kommen genau dann ans Tageslicht, wenn man eigentlich schnell mit seiner Gründungsidee voran kommen will. 

Realität in der Medienbranche - Sexismus am Arbeitsplatz

Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, wenn ich sage, dass Frauen in der Medienbranche diskriminiert und sexualisiert werden. Insbesondere die stetige Sexualisierung von Frauen am Arbeitsplatz hat mich selbst betroffen. Sprüche wie „Zieh dir bitte zum nächsten Kundengespräch eine Bluse mit tieferem Ausschnitt an“, musste ich leider öfter hören. Neben der Reduzierung auf Äußerliches kämpfte ich natürlich, wie viele tausende andere Frauen auch, mit Diskrimierung bezüglich des Gehalts und der Aufstiegschancen. Es war meist so: Im Hintergrund arbeiteten die fleißigen Mädels – die männliche Führungsebene übernahm das Reden und heimste die Erfolge ein. Mit meiner Selbstständigkeit lasse ich nun endlich das Geschehene hinter mir und gestalte von nun an, gemeinsam mit Mel, alle Rahmenbedingungen selbst, mit allen Vor -und Nachteilen, die das mit sich bringt.

Warum tun wir Frauen uns so schwer die Existenzgründung zu wagen? 

Es ist eben doch schwieriger, alles gleichzeitig zu wuppen, als ich dachte: Mutterschaft, Partnerschaft (mit einem ebenfalls selbstständigen Mann) und jetzt noch diese neue Rolle als Unternehmerin. Und wir stecken mitten im Aufbau-Prozess — revidieren, verzweiflen und feilen jeden Tag an unserer neuen Lebens- und Arbeitsrealität. Der Engel auf meiner Schulter spricht in mein Ohr: „EINFACH MACHEN, du ermöglichst dir dadurch berufliche Unabhängigkeit und mehr kreative Freiheiten.“ Es steht aber eben auch oft noch dieser fiese Teufel (mitunter leibhaftig geworden in der Gestalt einiger Familienmitglieder) auf der anderen Schulter, der mir die Gefahren aufzählt: „VERGISS ES, ihr werdet nicht genug Kunden ansprechen – ihr werdet scheitern. Such dir lieber einen vernünftigen Job irgendwo als Angestellte.“ An diesem Punkt auf Durchzug schalten, alte Glaubenssätze zu hinterfragen und gleichzeitig eine neue Haltung aufzubauen sowie von Anfang an eine achtsamere und ressourcenschonendere Arbeitsmoral aufzubauen, ist nicht leicht, war mir aber wichtig und muss regelmäßig neu manifestiert werden. 

Schon interessant, dass wir Frauen uns zwar häufig einbilden alles gleichzeitig schaffen zu müssen, und so auch sozialisiert wurden, aber andererseits oftmals noch nicht das nötige Selbstvertrauen haben, ein unabhängiges Geschäftsprojekt anzugehen. Wahrscheinlich neigen wir häufiger dazu, uns zu unterschätzen und ein Risiko zu wagen. Frauen kommunizieren auch vorsichtiger als Männer; sind unsicherer in der Selbstvermarktung. Und das Thema Familie spielt eben doch noch eine große Rolle: Der Zeitraum im Leben, wo viele gründen wollen, fällt häufig mit der Familienplanung zusammen. Als zweifache Mama weiß ich, dass das eine große Herausforderung sein kann und die Rahmenbedingungen stimmen müssen.

Vom Zweifeln, Verwerfen, Finden und Wachsen

Das soll übrigens keine Wertung über all jene Frauen sein, die Vollzeit-Mamas sind, denn das ist ein knochenharter Job, der alles von einem fordert und der zeitweise keine energetischen Freiräume mehr für etwas Anderes zulässt. Es ist ok „nur“ das zu machen. Ich bin sicher, es gibt nicht wenige Frauen, die sich mit dem Wiedereinstieg in den Beruf vielleicht gerne noch Zeit gelassen hätten und demgegenüber gibt es sicherlich auch einige Frauen, die froh sind endlich dem manchmal eintönigen Mama-Alltag zu entfliehen. Alles ist ok und gründet auf sehr individuellen Entscheidungen und Absprachen innerhalb der Familie. Ich muss zugeben auch ich hatte zuweilen verwirrende und völlig konträre Gefühle zu dem Thema und bin erst jetzt, nach knapp einem Jahr zufrieden mit unserem flexiblen Arbeitszeit-Elternsein-Modell, das geprägt ist von Auf und Abs, vom Anpassen und Ausfechten, vom Zweifeln und Verwerfen und der Erkenntnis, dass es ein sich ständig verändernder Prozess ist, an dem wir wachsen. Eine wertvolle Erkenntnis war eindeutig: ich bin erst dann zufrieden, wenn es mir gut geht und ich die Kraft schöpfen konnte, ins „Tun“ zu kommen.

Meine wichtigsten Erkenntnisse, die den Start in die Selbstständigkeit erleichtern

Ganz klar, ohne die Bestärkung über viele Jahre hinweg durch meinen Mann und die vielen positiven Beispiele aus meinem Umfeld, hätte ich wahrscheinlich dem Teufelchen auf meiner Schulter mehr Gehör verschafft. Manches braucht einfach seine Zeit und auf jedem Lebensweg kommen die Erkenntnisse und Abzweigungen eben anders. Folgende Tipps können den Start in die Selbstständigkeit erleichtern:

  • Achte auf dich und deine Ressourcen. Du leistest so viel für deine Kinder, deine Familie und allem Drumherum. Räume auch DIR Zeit für DEINEN Körper und DEINE Seele ein, am Besten mit festen Terminen (für Sport, Spaziergänge, Meditation, etc. ), die nicht verschoben werden können. 
  • Sammle inspirierende Vorbilder im näheren Umfeld, die sich selbstständig gemacht haben und dich motivieren (frustriere nicht angesichts des Perfektionismus der Anderen - achte auf deine positive Haltung!). 
  • Schaffe dir eine finanzielle Basis durch Erspartes, externe Finanzierung oder Familie/Partnerschaft/Ehe. Nimm dir einen Zeitraum vor, mit Meilensteinen die dokumentieren bis wann du welche Ziele erreicht haben willst, wie z.B. in den ersten x Monaten will ich x Kunden akquiriert haben, um somit ein gewisses Grundeinkommen zu generieren. 
  • Rechne damit, dass es länger dauern wird, als geplant.
  • Passe deine innere Einstellung an, lasse alte Unsicherheiten los und nehme den Schwung und die Motivation des Anfangs mit und transformiere es in ein neues Mindset.
  • Gestalte deinen Arbeitsalltag um. Das heißt, komme insbesondere bei Homeoffice in einen festen Rhythmus, wo alles andere wie der Haushalt & Co. ignoriert werden darf. Kommuniziere mit den Familienmitgliedern, dass auch deine Homeoffice-Arbeitszeiten „heilig“ sind.
  • Gehe anfangs, wenn du noch keine Referenzen hast, Tausch-Angebote ein. Biete beispielsweise einer IT-Agentur deine Dienste an, dann bekommst du im Gegenzug Hilfe bei deiner Website.

 

 

 

 

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