Artikel: 6 Wochen Schulferien begleiten – Privileg, Belastung und das unsichtbare Mental Load

6 Wochen Schulferien begleiten – Privileg, Belastung und das unsichtbare Mental Load
Über vier Wochen Sommerferien sind um. Zwei Wochen Urlaub, 2,5 Wochen zuhause. Seit 1,5 Wochen geht mein Mann wieder arbeiten. Ich nicht – ich bleibe mit den Kindern zuhause.
Das bedeutet: Kinder beschäftigen, den Haushalt doppelt stemmen, Essen kochen, Langeweile aushalten, Streit schlichten. Und jeden Abend sitzen wir stundenlang neben unserer siebenjährigen Tochter und begleiten sie in den Schlaf. Einschlafbegleitung, bis unsere eigenen Nerven längst aufgegeben haben. Selbst die kleinsten Routinen suchen wir vergeblich.
Ganz wichtig: Es ist nicht die Schuld meiner Kinder
Das Problem sind nicht die Kinder. Sie können nichts dafür, dass Ferien den kompletten Rhythmus zerstören. Sie können nichts dafür, dass ich innerlich zittere, weil meine Arbeit liegenbleibt. Sie können nichts dafür, dass Einschlafbegleitung in den Ferien zur Geduldsprobe wird.
Das ist meine Realität. Nicht ihre Verantwortung.
Ferienbetreuung – Theorie vs. Praxis
Natürlich könnte man sagen: „Dann buch doch Ferienbetreuung.“ Klingt logisch. Aber in der Praxis? Ein Lotteriespiel. Es gibt keine Garantie, dass die Betreuung im gewünschten Zeitraum stattfindet. In manchen Gemeinden gibt es sogar keinen Anspruch auf Ferienbetreuung, wenn ein Elternteil offiziell zuhause ist – egal ob selbstständig, arbeitslos oder in Elternzeit. In vielen Gemeinden und Städten gibt es gar keine Ferienbetreuung oder zu Preisen die sich nur wenige leisten können.
Und selbst wenn man einen Platz bekommt: Viele Kinder tun sich schwer damit. Bis sie eingewöhnt wären, ist das Programm vorbei. Und was bleibt, sind überreizte Nachmittage, Tränen, Diskussionen und noch mehr Begleitung durch mich zu Hause. Also ja, theoretisch gäbe es „Entlastung“. Praktisch ist es keine
Die unsichtbare Leistung in den Ferien
Eltern stemmen in den Ferien weit mehr, als von außen sichtbar ist. Ein paar Beispiele:
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Paare, die sich die Ferien teilen müssen: Jeder nimmt zwei oder drei Wochen Urlaub, aber nicht gleichzeitig. Gemeinsame Familienzeit? Fehlanzeige. Dafür sechs Wochen Dauer-Orga, wer wann übernimmt.
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Familien ohne Großeltern in der Nähe: Keine spontane Unterstützung, keine Notlösung, alles muss selbst geregelt werden.
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Alleinerziehende: Sechs Wochen Dauerbetreuung ohne Auffangnetz. Ferienbetreuung oft Pflicht, auch wenn das Kind darunter leidet.
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Eltern mit Schichtarbeit: Urlaub passt nicht zu den Ferienzeiten, Betreuungslücken sind unvermeidbar.
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Selbstständige: So wie ich. Offiziell „flexibel“, in Wirklichkeit ohne Pause-Taste, ohne Einkommen, wenn nicht gearbeitet wird.
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Angestellte mit begrenztem Urlaub: Wer nur 25 oder 30 Tage Urlaub im Jahr hat, kann niemals sechs Wochen Ferien abdecken. Also jonglieren, bitten, tauschen, improvisieren.
Und überall dazwischen: Kinder, die Nähe und Beschäftigung brauchen, Eltern, die erschöpft sind, und eine Gesellschaft, die so tut, als seien Ferien für alle nur „Sommer, Sonne, Leichtigkeit“.
Privileg oder Maul halten?
Ja, ich weiß, es ist ein Privileg, dass ich selbstständig bin und meine Kinder zuhause betreuen kann. Ich weiß, dass andere Eltern keine Wahl haben, weil sie im Angestelltenverhältnis sind und sich mit unbezahltem Urlaub oder Notlösungen durchhangeln müssen.
Aber heißt das, dass ich jetzt die Klappe halten muss? Darf ich mich nicht beschweren, nur weil ich theoretisch mehr Flexibilität habe? Habe ich kein Recht, laut zu sagen, dass mich das zerreißt? Dass es mich fertig macht, drei Wochen lang meine Arbeit fast auf Eis zu legen, Nächte durchzuarbeiten, kein Einkommen, während ich gleichzeitig nonstop für die Kinder da bin? Angeblich darf ich das nicht, wurde mir so gesagt. Ich mach`s trotzdem. Auch für die, die gar keine Kapazitäten mehr haben, die, die so erledigt sind dass sie sich nicht trauen auch nur ansatzweise schlechte Gedanken und Gefühle zuzulassen.
Ferien sind kein Urlaub für Eltern
Ferien sind für Kinder Freiheit, das soll auch so sein. Für Eltern sind sie ein Ausnahmezustand. Manche haben das Privileg, zu Hause zu sein. Andere müssen Ferienbetreuung erzwingen oder den Urlaub stückeln. Alle tragen die Last: organisatorisch, emotional, mental.
Und ja, ich weiß, wir sind privilegiert weil wir unsere Kinder nicht in eine Ferienbetreuung zwingen müssen. Aber das macht die Überforderung nicht kleiner. Es zeigt nur noch deutlicher, wie absurd es ist, dass Care-Arbeit in unserer Gesellschaft immer noch als Nebensache abgetan wird.
Ferien sind kein Urlaub für Eltern. Sie sind Arbeit – sichtbar, unsichtbar, kräftezehrend. Und genau das darf gesagt werden.
Jetzt ihr: Wie überlebt ihr die Ferien?
Mich interessiert: Wie macht ihr das? Wie teilt ihr euch die Ferien auf? Nutzt ihr Ferienbetreuung, Großeltern, Urlaubstage? Oder jongliert ihr euch einfach durch und hofft, dass es irgendwie reicht? Oder läuft das bei Euch vielleicht einfach super rund?
Schreibt es in die Kommentare oder erzählt es mir direkt, schreibt auf Insta oder brüllt es mir über die Straße – je mehr wir darüber sprechen, desto sichtbarer wird, was Eltern in den Ferien wirklich leisten.
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